SONSTIGES: CfA Berliner Blätter / UM|WELT|EN

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Liebe Liste,

anbei finden Sie einen Call for Articles für die neue Ausgabe der
Berliner Blätter, eine Publikationsreihe der Gesellschaft für
Ethnographie und des Instituts für Europäische Ethnologie an der
Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema: ‚UM|WELT|EN. Interdisziplinäre
Perspektiven aus der ontologischen Wende‘. Die Ausgabe wird im
Open-Access-Format publiziert.

Einreichungen sind bis zum 31. Oktober 2019 an folgende Adresse
eitel@em.uni-frankfurt.de möglich.

Mehr Informationen zur Publikationsreihe finden Sie auf den Seiten des
Instituts für Europäische Ethnologie hier
<www.euroethno.hu-berlin.de/de/forschung/publikationen/berliner-blaetter>.

Einblicke in die bereits erschienenen Ausgaben der Berliner Blätter
bekommen Sie auf den Seiten des Panama Verlags
<www.panama-verlag.de/shop/produkt-kategorie/berliner-blatter/>.
Wir freuen uns, wenn Sie den Call an Interessierte weiterleiten!

Beste Grüße,
Michaela Meurer und Kathrin Eitel (das Redaktionsteam)

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Call for Articles

Berliner Blätter | Ethnographische und ethnologische Beiträge

UM | WELT | EN

*Interdisziplinäre Perspektiven aus der ontologischen Wende***

Im August 2019 steht der Amazonaswald in Flammen; in Indonesien schaffen
verkohlte Waldflächen Platz für Ölpalmen; in Sibirien bringen Feuer das
Eis der Arktis zum Schmelzen. Weltweit gehen im September 2019
Hunderttausende auf die Straße und fordern die Umsetzung der in Paris
vereinbarten Klimaziele. Zeitungen berichten von Müllbergen in
Neu-Delhi, die bald so groß wie das Taj Mahal sind und die EU debattiert
über ein Verbot von Plastiktüten. Wetterereignisse nehmen an Stärke zu,
ebenso wie der Strom an Menschen, die auf der Flucht davor ihre Heimat
verlassen müssen. Die Situation spitzt sich zu, die Beziehungen von
Mensch und Umwelt scheinen sich zu transformieren.

Zeitgleich diskutiert die Wissenschaft in diversen Disziplinen und aus
unterschiedlichen Perspektiven heraus über die ontologische Wende – auch
in Hinblick auf Natur-Kultur-Verhältnisse und Mensch-Umwelt-Beziehungen.
Während die Sozial- und Kulturanthropologie die Pluralität und
Diversität von Existierendem und daran geknüpften Welten sichtbar macht,
fokussieren Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie und das
Forschungsfeld /Science and Technology Studies/ die multiplen Facetten
des Seins und dessen Bedingungen. So fragen erstere danach, „was“ ist,
letztere stellen die Frage nach dem „wie ist wann“ ins Zentrum. Dabei
variieren die Forschungsgegenstände; sie umfassen Fragen kultureller
(Kohn 2007) und alltäglicher Praxis (Mol 2003) ebenso wie Arten und
Politiken der Wissensproduktionen (Latour/Woolgar 1981, Kuhn 1997
[1962]) – immer im Nexus von Technik, Wissen, Gesellschaft und Umwelt.
Zeitgenössische Debattenfokussieren belebte und aktive Materie im Sinne
eines Neuen Materialismus (bspw. bei Barad 2007)ebenso wie Arten des
Hervorgebrachten (Mol/Law 2004)und dabei wirkende Hegemonien (Blaser
2013, De la Cadena 2010). Dabei zeigt sich nicht zuletzt die
Multiplizität (Mol 2003)und Vielfältigkeit (Pickering 2017)von Sein und
Welt. Dichotomien zwischen Gesellschaft und Technik (Haraway 2016)werden
dabei ebenso aufgebrochen wie Natur und Kultur (Viveiros de Castro 1996,
Descola 2005), die nun beispielsweise als NaturenKulturen
konzeptionalisiert werden (Gesing et al. 2018).

Gemeinsam ist den Disziplinen, dass sie mit bisher grundlegend
scheinenden ontologischen Gewissheiten brechen, damit neue und andere
Einsichten in traditionelle und aktuelle Themenbereiche generieren und
Auswirkungen darauf haben, wie wir Natur, Kultur, Umwelt, Materie und
letztendlich Welt zukünftig verstehen und sehen wollen. Gemein ist ihnen
auch ihr methodischer Forschungszugang, der markiert, was schon vor der
ontologischen Wende Gegenstandsbereich der ethnologischen Disziplinen
war: die Anerkennung des mit unterschiedlichen Konzepten gedachten Seins
(Charbonnier et al. 2017). Dennoch gibt es sowohl weiterhin Kritik an
der ontologischen Wende als solcher (Graeber 2015), als auch im Hinblick
auf posthumane Perspektiven, die anthro-de-zentristisch wirken wollen,
dabei aber die global-hegemonial gestaltete Wissensproduktion weiter
zementieren (Braidotti 2019, Tuhiwai 2012).

In dieser Ausgabe der Berliner Blätter möchten wir Studien Raum geben,
die ethnographische Beobachtungen aus dieser theoretischen Sicht heraus
analysieren und interpretieren. Dies können kritische Analysen von
wissenschaftlichen Verfahren sein wie Climate Change Modelling, von
Klimaschutzmaßnahmen wie REDD+ oder von politischen Agenden zu
Umweltschutz. Studien zu alltäglichen Praktiken um und mit Wasser, Land,
Wald oder Müll können ebenso bearbeitet werden wie zum Konzept des
Anthropozäns oder zu lokalen Wissenssystemen. Auch Bewegungen wie
Fridays4Future oder Bündnisse gegen Wasserkraft oder Kohleabbau können
behandelt werden.

Im Zentrum sollten dabei folgende Fragen stehen: Welche Seinsweisen
lassen sich (wie) in der Empirie erkennen? Wie stellen sich Phänomene
und Praktiken aus Sicht theoretischer Ansätze der ontologischen Wende
dar? Welchen Nutzen können wir daraus ziehen und was bedeutet dies
wiederum für die empirischen Phänomene? Darüber hinaus können auch
Fragen nach Machtverhältnissen, Transformationsprozessen oder Diskursen
und Normen diskutiert werden. Zudem interessiert uns die Frage nach
möglichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Disziplinen: Wo liegen
Brüche und konzeptionelle Unterschiede zwischen Sozial- und
Kulturanthropologie, Europäischer Ethnologie/Kulturanthropologie und dem
Forschungsfeld der /Science and Technology Studies/? Wo lassen sich
Theorien und Herangehensweisen aber auch gewinnbringend intergieren und
wie kann eine solche theoretische Verbindung aussehen?

/Organisation/

Bitte senden Sie Ihre Abstracts bis zum *31. Oktober 2019 *an folgende
Adresse: eitel@em.uni-frankfurt.de

Eine Rückmeldung erfolgt daraufhin zeitnah. Die Beitragsvorschläge
(deutsch oder englisch) sollten einen Umfang von 4.000 Zeichen (inkl.
Leerzeichen) nicht überschreiten und neben einer kurzen Zusammenfassung
Auskunft geben über zentrale Fragestellung, empirische Basis sowie den
Stand der eigenen Forschung. Die fertigen Artikel erbitten wir bis zum
*31. März 2020*. Dieser Band wird online und im Open Access veröffentlicht.

Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!

Die Herausgeberinnen,

Michaela Meurer und Kathrin Eitel

Barad, Karen (2007): Meeting the Universe Halfway. Quantum Physics and
the Entanglement of Matter and Meaning. Durham: Duke University Press.

Blaser, Mario (2013): Notes Towards a Political Ontology of
‘Environmental’ Conflicts. In: Lesley Green (Hg.): Contested Ecologies:
Nature and Knowledge. Cape Town: HSRC Press, 13–27.

Braidotti, Rosi (2019). Posthuman knowledge. Cambridge: Polity Press.

Charbonnier, Pierre, Gildas Salmon & Peter Skafish (eds.) (2017).
Comparative metaphysics: Ontology after anthropology (Reinventing
critical theory). London, New York: Rowman & Littlefield International.

De la Cadena, Marisol (2010): Indigenous Cosmopilitics in the Andes.
Conceptual Reflections beyond “Politics”. In: Cultural Anthropology 25
(2), 334–370.

Descola, Philippe (2005): Par-delà nature et culture. Paris: Gallimard.

Gesing, Friederike, Michi Knecht, Michael Flitner & Katrin Amelang
(eds.) (2018). NaturenKulturen: Denkräume und Werkzeuge für neue
politische Ökologien. Bielfeld: transcript.

Graeber, David (2015). Radical alterity is just another way of saying
“reality”. HAU: Journal of Ethnographic Theory 5(2). 1–41.

Haraway, Donna (2007): When Species Meet. University of Minnesota Press.

Kohn, Eduardo (2007): How Dogs Dream. Amazonian Natures and the Politics
of Transspecies Engagement. In: American Ethnologist 34 (1), 3–24.

Kuhn, Thomas S. (1997 [1962]): Die Struktur wissenschaftlicher
Revolutionen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Latour, Bruno / Woolgar, Steve (1981): Laboratory life. The construction
of scientific facts. Beverly Hills: SAGE.

Mol, Annemarie (2003): The Body Multiple. Ontology in Medical Practice.
Durham, N.C.: Duke University Press.

Mol, Annemarie / Law, John (2004): Embodied Action, Enacted Bodies: the
Example of Hypoglycaemia. In: Body & Society 10 (2-3), 43-62.

Tuhiwai Smith, Linda (2012). Decolonizing Methodologies: Research and
Indigenous Peoples. London: Zed Books.

Pickering, Andrew (2017): The Ontological Turn. Taking Different Worlds
Seriously. In: Social Analysis 61 (2), 134–150.

Viveiros de Castro, Eduardo (1996): Os Pronomes Cosmológicos e o
Perspectivismo Ameríndio. In: Mana//2 (2), 115–144.

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